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BETREUUNG IN
HÄUSLICHER GEMEINSCHAFT
RECHTLICHE MODELE FÜR BETREUUNG IN HÄUSLICHER GEMEINSCHAFT
(SOG. „24-STUNDEN-BETREUUNG“)
 
Von Arne Petermann, Juliane Bohl, Frederic Seebohm. Herausgegeben vom Verband für häusliche Betreuung und Pflege e. V. (VHBP) – Stand: 26 Oktober 2016
In über 200.000 Haushalten in Deutschland werden hilfsbedürftige Menschen, überwiegend Senioren, von osteuropäischen Betreuungspersonen versorgt. Diese mittlerweile unverzichtbare Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (BihG) schließt eine eklatante Versorgungslücke im Gesundheits- und Sozialwesen in Deutschland.
Rechtsgrundlage für BihG ist in der Regel die Entsendung von Betreuungspersonen durch einen ausländischen Betreuungsdienstleister nach geltendem EU-Recht oder die Tätigkeit als selbstständige Betreuungsperson mit Gewerbe in Deutschland. Bei entsandten Betreuungspersonen kann es sich um Arbeitnehmer, Mitarbeiter im Auftragsverhältnis oder Subunternehmer handeln. Praktisch werden überwiegend Mitarbeiter im Auftragsverhältnis entsandt. Theoretisch möglich ist ferner die Anstellung als Arbeitnehmer direkt durch den Verbraucher, dies ist jedoch für Verbraucher in der Realität nicht praktikabel und kommt deshalb in der Praxis kaum vor. Nach Schätzungen von Branchenexperten des VHBP wird Betreuung in häuslicher Gemeinschaft in 90 % der Fälle vollkommen illegal, also durch Schwarzarbeit erbracht.
Begriffserläuterung und Abgrenzung: „Betreuungsdienstleister“ meint in diesem Papier Unternehmen, die Betreuungspersonen nach Deutschland entsenden. Betreuungsdienstleister und Entsendeunternehmen werden synonym verwendet. Im Sinne einer klaren begrifflichen Abgrenzung werden selbstständige Einzelunternehmer als selbstständige Betreuungspersonen bezeichnet.
Zur Schaffung von Transparenz für Verbraucher hat der VHBP diesen Überblick über die rechtlichen Modelle der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft verfasst. Diese Modelle sind grundsätzlich rechtskonform und für den Verbraucher anwendbar.
DIE MODELLE IM ÜBERBLICK:
1.ENTSENDUNG VON ARBEITNEHMERN AUSLÄNDISCHER             BETREUUNGSDIENSTLEISTER
Kurzbeschreibung
Bereits seit 2004 besteht aufgrund der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU die Möglichkeit, dass Betreuungsdienstleister aus EU-Ländern regulär ihre Arbeitnehmer vorübergehend nach Deutschland entsenden, um hier Dienstleistungen zu erbringen.
Der Verbraucher schließt einen Dienstleistungsvertrag mit dem Betreuungsdienstleister, in dem Leistungsumfang, -zeitraum und -konditionen geregelt sind. Die Betreuungsperson ist sozialversicherungspflichtig beim Betreuungsdienstleister angestellt und
wird von diesem zur Leistungserbringung nach Deutschland entsendet. Dieses Modell kommt allerdings nur noch vereinzelt zu Anwendung.
Merkmale der Entsendung von Arbeitnehmern eines Betreuungsdienstleisters :
  • Die arbeitsrechtlichen Vorschriften des Entsendelandes finden weiterhin Anwendung.
  • Zusätzlich finden die arbeitsrechtlichen Mindestvoraussetzungen des Ziellandes Anwendung, wie z.B. die deutschen Mindestlohnvorschriften.
  • Für Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich betreuen, gelten die Arbeitszeitbeschränkungen nicht (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG).
  • Aufgrund des deutschen Mindestlohngesetzes besteht u. a. eine Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten und zur Vergütung von Bereitschaftszeiten i. H. des Mindestlohns.
  • Das Weisungsrecht liegt beim Arbeitgeber im Entsendeland, nicht beim Verbraucher in Deutschland. Arbeitsrechtlich bindende Anweisungen (z.B. Dauer des Einsatzes, Arbeitszeit, Urlaub, An- und Abreisedatum etc.) kann nur der Arbeitgeber erteilen.
Besonderheiten der Sozialversicherung
  • Bei der Entsendung finden die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsendelandes Anwendung.
  • Für entsendete Betreuungspersonen werden durch den Arbeitgeber in ihren Heimatländern nach den dort geltenden gesetzlichen Regelungen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Berechnungsgrundlage ist i. d. R. das gesamte Gehalt.  Dies wird durch einen Sozialversicherungsnachweis wie z. B. das europäische Formblatt A1 dokumentiert.
Empfehlungen und Hinweise
  • Verbraucher sollten sich die A1-Bescheinigung für ihre Betreuungsperson in Kopie vorlegen lassen. So kann der Verbraucher im Falle eine Kontrolle nachweisen, dass die Betreuungsperson beim entsendenden Unternehmen im Ausland angestellt und sozialversichert ist. Bei der Erstellung des A1 ist eine mehrwöchige Bearbeitungszeit durch die jeweilige Sozialbehörde zu berücksichtigen.
  • Geben Sie als Verbraucher der Betreuungsperson keine Weisungen und erstellen Sie keine Dienst- oder Freizeitpläne, sondern teilen Sie Ihre Wünsche mit.
2. ENTSENDUNG VON MITARBEITERN IM AUFTRAGSVERHÄLTNIS AUSLÄNDISCHER BETREUUNGSDIENSTLEISTER
Kurzbeschreibung
Auch dieses Modell besteht seit 2004 aufgrund der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU. Danach können Betreuungsdienstleister aus EU-Ländern ihre Mitarbeiter im Auftragsverhältnis oder Subunternehmer vorübergehend nach Deutschland entsenden, um hier Dienstleistungen zu erbringen. In der Praxis werden aus Osteuropa überwiegend Mitarbeiter im Auftragsverhältnis entsendet. Der Verbraucher schließt einen Dienstleistungsvertrag mit dem Betreuungsdienstleister, in dem Leistungsumfang, -zeitraum und -konditionen geregelt sind. Die Betreuungsperson ist als Mitarbeiter im Auftragsverhältnis für das ausländische Unternehmen tätig. Im Unterschied zu einer abhängigen Beschäftigung, wo i. d. R. eine Arbeitszeit vereinbart wird, wird mit Mitarbeitern im Auftragsverhältnis ein selbstständig zu erbringender Leistungsumfang und ein Arbeitsergebnis vereinbart und i. d. R. keine Arbeitszeit, Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Merkmale der Entsendung von Mitarbeitern im Auftragsverhältnis eines Betreuungsdienstleisters
  • Entsendete Mitarbeiter im Auftragsverhältnis sind keine Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeitsrechts.
  • Es handelt sich vielmehr um zivilrechtliche Verträge, die z. B. oft in Polen angewandt werden. Häufig werden hierbei mehrere Aufträge kombiniert, sodass der Mitarbeiter im Auftragsverhältnis im In- und Ausland für das Unternehmen tätig werden kann (sogenanntes „mehrfaches Auftragsverhältnis“).
  • Mitarbeiter im Auftragsverhältnis unterliegen generell weder einem Weisungsrecht des Betreuungsdienstleisters, der als Auftraggeber fungiert, noch dem des Verbrauchers. In gewissen Situationen, z. B. wenn Qualitätsanforderungen nicht nach den Vorgaben des Betreuungsdienstleisters erfüllt werden oder der Betreuungsdienstleister beim Umgang mit dementen Personen über Expertenwissen verfügt, können Mitarbeitern im Auftragsverhältnis auch genaue Vorgaben und Anweisungen gegeben werden.
  • Das Entsendeunternehmen trägt volle Verantwortung für die Qualität der Leistung, inklusive eventueller Schäden, die vom Mitarbeiter im Auftragsverhältnis verursacht werden.
  • Anders als bei selbstständigen Gewerbetreibenden gibt es keine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Verbraucher und der entsendeten Betreuungsperson, die die Betreuungsleistung vor Ort im Auftrag des Betreuungsdienstleisters erbringt. Der Dienstleistungsvertrag kommt i. d. R. zwischen dem Verbraucher und dem Betreuungsdienstleister im Ausland zu Stande.
Besonderheiten der Sozialversicherung
  • Bei der Entsendung finden die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsendelandes Anwendung.
  • Entsendete Mitarbeiter im Auftragsverhältnis unterliegen in den meisten europäischen Ländern (z. B. Polen) grundsätzlich einer Sozialversicherungspflicht.
  • Entsendete Mitarbeiter sind keine Arbeitnehmer. Sie ähneln vielmehr freien Mitarbeitern in Deutschland, mit dem Unterschied, dass der Auftraggeber in Polen grundsätzlich die Verpflichtung hat, für seine Auftragnehmer Sozialversicherung und Steuern abzuführen.
  • Für entsendete Betreuungspersonen werden in ihren Heimatländern nach den dort geltenden gesetzlichen Regelungen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, beim mehrfachen Auftragsverhältnis wird als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung zumindest ein Auftrag herangezogen, sofern dieser den polnischen Mindestlohn nicht unterschreitet. In der Realität ist damit sichergestellt, dass die Bemessungsgrundlage für die Sozialabgaben mindestens der polnische Mindestlohn ist.
  • Die Sozialversicherung wird durch einen Sozialversicherungsnachweis wie z. B. das europäische Formblatt A1 dokumentiert.
Empfehlungen und Hinweise
  • Verbraucher sollten sich die A1-Bescheinigung für ihre Betreuungsperson in Kopie vorlegen lassen. So kann der Verbraucher im Falle eine Kontrolle nachweisen, dass die Betreuungsperson beim entsendenden Unternehmen im Ausland angestellt und sozialversichert ist. Bei der Erstellung des A1 ist eine mehrwöchige Bearbeitungszeit durch die jeweilige Sozialbehörde zu berücksichtigen.
  • Geben Sie als Verbraucher der Betreuungsperson keine Weisungen und erstellen Sie keine Dienst- oder Freizeitpläne, sondern teilen Sie Ihre Wünsche mit.
3. SELBSTSTÄNDIGKEIT VON BETREUUNGSPERSONEN MIT GEWERBE IN DEUTSCHLAND
Kurzbeschreibung
Die EU-Dienstleistungsfreiheit ermöglicht Anbietern gewerblicher, kaufmännischer, handwerklicher und freiberuflicher Tätigkeiten den freien Zugang zu den Dienstleistungsmärkten aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies bedeutet, dass auch ausländische Betreuungspersonen in Deutschland ein Gewerbe anmelden können und damit den hiesigen gewerbe- sowie steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften unterliegen. Sie erbringen die Betreuungsdienstleistungen dann als selbstständige Unternehmer auf eigenen Namen und eigene Rechnung.
Merkmale der Selbstständigkeit von Betreuungspersonen mit Gewerbe in Deutschland
  • Die Betreuungspersonen haben in Deutschland ein Gewerbe angemeldet und verfügen über eine deutsche Steuernummer.
  • Die Regelungen des Mindestlohngesetzes finden für Selbstständige keine Anwendung.
  • Die Betreuungspersonen verfügen über unternehmerische Entscheidungsfreiheit z. B. bei der Preisverhandlung, dem Einsatz von Kapital, Annahme oder Ablehnung eines Auftrags, Einsatz von Personal, Kundenakquisition, Werbemaßnahmen.
  • Es besteht kein Weisungsrecht des Auftraggebers, Art und Weise der Ausführung von Dienstleistungen kann von der Betreuungsperson frei gestaltet werden.
  • Die Betreuungspersonen tragen ein unternehmerisches Risiko z.B. durch Reisekosten, Ausbildungskosten, Zahlungsausfall oder schlechte Auftragslage.
  • Dem unternehmerischen Risiko steht ein (im Vergleich zum abhängig Beschäftigten) größerer Handlungsspielraum gegenüber: die Betreuungspersonen können im Wesentlichen über die Ausführung der Tätigkeiten und Arbeitszeit frei bestimmen.
  • Die Betreuungspersonen treten als Unternehmer auf (z. B. eigene Rechnungen, Büroräume, Briefpapier).
  • Die Betreuungspersonen üben die selbstständige Tätigkeit nicht auf Dauer und im Wesentlichen nicht nur für einen Auftraggeber aus. Dies kann z. B. dadurch gewährleistet werden, dass die Einsätze meist für 2 bis 3 Monate erfolgen und die Betreuungsperson im Jahr mehrere hilfsbedürftige Personen betreuen kann.
Besonderheiten bei der Sozialversicherung
  • Selbstständige unterliegen nicht der Sozialversicherungspflicht in Deutschland.
  • Die Betreuungspersonen haben wie jeder andere Selbstständige in Deutschland die Wahl, ob und wie sie sich sozialversichern.
Empfehlungen und Hinweise
  • Achten Sie darauf, dass die Betreuungsperson auf eigene Rechnung und auch mit eigenem Briefkopf arbeitet. Lassen Sie sich im Zweifel die Gewerbeanmeldung und Steuernummer der Betreuungsperson vorlegen.
  • Geben Sie der Betreuungsperson keine Weisungen und erstellen Sie keine Dienst- oder Freizeitpläne, sondern teilen Sie Ihre Wünsche mit.
4. ANSTELLUNG VON ARBEITNEHMERN DURCH VERBRAUCHER 
Kurzbeschreibung
Verbraucher haben die Möglichkeit, Betreuungspersonen direkt in ihrem eigenen Haushalt anzustellen. Diese Möglichkeit wird häufig von Verbraucherzentralen und der Agentur für Arbeit empfohlen. Der Verbraucher wird hierbei zum Arbeitgeber. Die Betreuungsperson ist sozialversicherungspflichtig beim Verbraucher angestellt. Dieses Modell kommt in der Praxis nur sehr selten zur Anwendung, da der Verbraucher wegen der üblichen Rotation (die meisten Betreuungspersonen wollen nach einem etwa 2-monatigen Einsatz etwa 2 Monate nicht arbeiten) mind. 2 Betreuungspersonen anstellen bzw. jeweils befristete Verträge abschließen müsste, was auch nicht unbegrenzt möglich ist. Der mit diesem Vertragsmanagement verbundene extrem hohe bürokratische Aufwand und die für einen Verbraucher schwer absehbaren Risiken eines Arbeitgebers führen dazu, dass dieses Modell in der Praxis nahezu nicht vorkommt. Da die Betreuungspersonen i. d. R. eigenverantwortlich die Betreuung und Pflege übernehmen und die Angehörigen oft nicht vor Ort sind, ist der Verbraucher häufig daran gehindert, seine Rechte und Pflichten als Arbeitgeber wahrzunehmen.
Merkmale der Anstellung von Arbeitnehmern durch den Verbraucher
  • Es gelten ausschließlich die deutschen arbeitsrechtlichen Vorschriften.
  • Für Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich betreuen, gelten die Arbeitszeitbeschränkungen nicht (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG).
  • Aufgrund des deutschen Mindestlohngesetzes besteht u .a. eine Dokumentationspflicht für Arbeitszeiten und die Vergütung von Bereitschaftszeiten i. H. des Mindestlohns.
  • Das Weisungsrecht liegt beim Verbraucher. Er kann Anweisungen erteilen und Arbeitszeit- und Dienstpläne erstellen.
Besonderheiten der Sozialversicherung
  • Es finden die deutschen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften Anwendung.
  • Grundlage für die Sozialversicherung ist das Gehalt.
Empfehlungen und Hinweise
  • Diese rechtliche Form der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft eignet sich für Verbraucher, die selbst Arbeitgeber werden wollen und die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers auch aktiv wahrnehmen können.
  • Verbraucher sollten sich deshalb vorab ausführlich über die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern informieren und abwägen, ob sie diese Rechten und Pflichten auch tatsächlich vor Ort wahrnehmen können.
  • Verbraucher sollten die Risiken der finanziellen Doppelbelastung (z. B. bei Krankheit oder Urlaub der Betreuungsperson) sowie potenzielle finanzielle Schäden, die durch die Betreuungsperson im Haushalt verursacht werden könnten, einkalkulieren und in geeigneter Weise absichern. Die Kalkulation und Absicherung dieser finanziellen Risiken übernimmt in den anderen Modellen der jeweilige Betreuungsdienstleister.
 
    
Quelle: vhbp.de
 
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